Freundebücher sind eine tolle Sache. Man hält darin eine Momentaufnahme aus dem eigenen Leben fest. Wie groß war ich in der ersten Klasse? Was war meine Lieblingsfarbe in der dritten? Welchen Beruf wollte ich damals einmal ergreifen und wofür interessiere ich mich heute? Besonders interessant ist auch die Frage, welche Freund*innen man damals hatte, die bis heute quasi in Vergessenheit geraten sind. Wann habt ihr also zum letzten Mal in eure Freundebücher aus der Grundschule oder aus dem Kindergarten geschaut?
Als ich zuletzt einen Blick in meine ganz persönliche Vergangenheit gewagt habe, war ich schockiert, wie groß der Kontrast zwischen meinem damaligen und meinem gymnasialen sozialen Umfeld ist. Denn: In Grundschule und Kindergarten hatte ich eine wertvolle Ressource, auf die ich heute nicht mehr zurückgreifen kann: Ein diverses Umfeld. Die Unterschiede in der Herkunft und im Einkommen der Familien, aus denen meine Klassenkamerad*innen stammen sind mit den Jahren stark zurückgegangen. Was nach 12 Jahren Schullaufbahn noch übrigbleibt? Eine stark homogene Gruppe von Schüler*innen.
Heutzutage können meine Mitschüler*innen deutlich seltener
eine Migrationsgeschichte erzählen und haben deutlich weniger von ihnen die Erfahrung gemacht, wie man aufwächst, wenn man nicht einem gut situierten Akademikerhaushalt entstammt. Diese Gleichförmigkeit in der Schulfamilie nimmt einem nicht nur die Notwendigkeit, sich in Toleranz und Akzeptanz zu üben, sondern schränkt auch deutlich den Erfahrungsschatz ein, aus dem sich eine Gruppe bedienen kann.